Katrin Dobroschke ist frisch gebackene Fleisch-Sommelière


Von Allgemeine Zeitung-Redakteurin Christine Tscherner (veröffentlicht am 15.07.2017)

 

DROMERSHEIM - Exotin ihres Fachs: Katrin Dobroschke, 41, ist frisch gebackene Fleisch-Sommelière. Außer der Dromersheimerin tragen nur fünf Frauen bundesweit den Titel. Wie die Diplom-Betriebswirtin zur Fleischberaterin wurde? Warum Mangalitza Wollschwein und Färsenfleisch so lecker schmecken? Die AZ fragte nach.

 

„Der Grillboom spielt den Metzgern in die Karten.“ Katrin Dobroschke erinnert sich genau an den Kunden, der zum ersten Mal einen Hanging Tender an der Ladentheke der Landmetzgerei bestellte. Das Onglet ist eines der Trend-Stücke für den Grill. Zart wie Filet, aber noch intensiver im Geschmack. „Da war mir klar, ich will mehr wissen über Zuschnitte, Zubereitungsarten, Fleischqualitäten und Kulturgeschichte.“

 


Von der Hochschule ins Handwerk gewechselt 

 

Katrin Dobroschke ist studierte Diplom-Betriebswirtin. Wissen aufsatteln, das kann sie. „Ich bin den umgekehrten Weg gegangen von der Hochschule ins Handwerk.“ Die Frau von Nico Dobroschke, sie stammt aus einer Weinbau-Familie. Liebe und Heirat führten sie nach Rheinhessen. Seit zehn Jahren führt sie gemeinsam mit ihrem Mann die Landmetzgerei, ist Ausbilderin der Fachverkäuferinnen und aufgeschlossen für Neuerungen. Ihr „Woscht to go“-Automat vor der Ladentür sorgte für Schlagzeilen. Als Mitglied der Fleischerinnung Mainz-Bingen kennt sie das Gefühl als einzige Frau in reinen Männerrunden.

Im Markgräfler Land zwischen Freiburg und Basel hat die Metzgerfrau ihre Wurzeln. „Begeisterung für Wein in Worte fassen, das kannte ich.“ Aber für Fleisch? Den Wortschatz dazu bot ihr ein bayrisches Seminar. „Die Fleischerschule in Augsburg ist die erste in ganz Deutschland, die Fortbildungen als Sommelier anbietet.“ Katrin Dobroschke buchte den zweiwöchigen Kurs. 

Flat Iron, Chuck Roll und Boston Butt? Für Grill-Experten gehören die Vokabeln zum Repertoire. Die Dromersheimerin beherrscht inzwischen die Sprache der Fleischfans. Sie kann den Kundenwunsch nach mehr Wissen mit der Firmenphilosophie verknüpfen, ist Genuss-Coach für Zubereitungsarten. Nur knapp 60 Fachleute bundesweit haben den Lehrgang besucht. „Deutschland ist Wurstland“, erklärt die Fachfrau. Was andernorts in Spezialzuschnitten auf dem Grill landet, verwenden Deutsche Metzgerbetriebe für Wurst mit Qualitätsanspruch. „Bei uns sind zwölf Prozent reines Rindfleisch in der Fleischwurst.“

Welches Futter ein Tier gefressen und ob es gekalbt hat. Wie es geschlachtet wurde, ob das Fleisch von männlichen oder weiblichen Tieren stammt. Das alles weiß sie. „Das Fleisch von Färsen ist viel zarter, weil weibliche Rinder langsamer in die Breite gehen als männliche.“ Sie lacht. „Leider ist das bei den Menschen meist umgekehrt.“ 

Kunden wollen nicht nur in der Großstadt zunehmend wissen, woher das Fleisch auf ihrem Teller kommt und wie das Tier zuvor gelebt hat. „Unsere Rinder stammen alle aus Rheinland-Pfalz.“ Mit dem Mangalitza Wollschwein setzen die Dobroschkes auf eine uralte Rasse mit schmackhaftem und saftigem Fleisch als Delikatesse. Lieber weniger und dafür hochwertiges und nachhaltig erzeugtes Fleisch kaufen, das setzt sich auch bei ihrer Kundschaft immer stärker durch. „Ich sehe klar Parallelen zum Wein“, sagt die frisch gebackene Sommelière. „In der Region gab es auch früher schon guten Wein, nur wurde wenig darüber gesprochen.“

Vom Futter und der Weide bis zur Rasse, Schlachtung und zur besten Zubereitung kann die Fachfrau ihr Expertenwissen an den Kunden weitergeben. Sie weiß einfach genau, was in der Ladentheke landet. Das schafft Vertrauen. Und Vertrauen ist für das in Verruf geratene Lebensmittel Fleisch wichtiger geworden.„Fleisch ist immer mehr zur Ramschware geworden“, sagt sie. Mit Qualität den Genuss zurückholen, das ist ihr Ziel. Die neu erworbene Sprache für Fleisch-Entdecker will die Dromersheimerin anwenden. „Mir schweben Grillkurse speziell für Frauen vor.“ Oder moderierte Zerlege-Seminare gemeinsam mit Ehemann Nico.

Sogar an Umbau denkt das Paar. Das Kalkül: Wer sich für viele hundert Euro einen Grill auf die Terrasse stellt, der gibt sich nicht mit Bratwurst zufrieden. Mit einem mobilen Grill wird Katrin Dobroschke Verkostungen vor ihren Geschäften anbieten. Heute (15. Juli, 10 bis 12 Uhr) startet sie in der Ingelheimer Filiale in Frei-Weinheim. Im Dromersheimer Stammhaus wird sie am 22. Juli von 10 bis 12 Uhr den Unterschied gegrillter Fleischstücke erklären.

 

Quelle: http://www.allgemeine-zeitung.de/lokales/bingen/bingen/dromersheimerin-katrin-dobroschke-ist-frisch-gebackene-fleisch-sommeliere_18039904.htm